Einige Reiseregeln für Damen in Gebirgsländern – Teil 1

Abgesehen von Ballkleidern, Besuchstoiletten und Tournüren, gibt es zum Reisen und insbesondere zum Bergsteigen eigene Outfits. Dieser Artikel aus Der Bazar 1881 beschreibt sehr deutlich, welche Art von Kleidung zum Wandern im Gebirge nicht nur vorteilhaft, sondern auch schicklich ist:

Bei der großen Anzahl von Damen, welche alljährlich die Alpenländer bereisen und Partien in denselben unternehmen, muß es auffallen, wie wenig zweckmäßig die meisten Touristinnen in Betreff der Toilette eingerichtet sind und sich in Folge dessen oft viele Unannehmlichkeiten zuziehen und sich manchen Genuß versagen müssen. In den Alpenländern bieten unstreitig Touren im Hochgebirge den größten Reiz, und solche zu unternehmen, wird rüstigen Damen durchaus nicht schwer fallen, sofern sie mit zweckmäßigem Anzug versehen sind und auch andere Vorschriften mit Bezug auf die Gesundheitspflege beachten. Die Haupterfordernisse für gebirgsreifene Damen sind: 1. richtige Fußbekleidung, 2. angemessene Bekleidung und 3. zweckmäßige Pflege des Körpers, besonders der Füße. Ich stütze mich dabei auf eigene Erfahrung.

1. Fußbekleidung

Gegen eine zweckmäßige Fußbekleidung wird am meisten gefehlt; in den häufigsten Fällen zeigt sich schon nach einigen Stunden Gehens, daß das Schuhwerk unzureichend und für weite Touren ungeeignet ist. In jedem größeren Gebirgsorte wird man Damen begegnen, die bei oft schlechten Schuhmachern Hilfe suchen, resp. sich neue Schuhe kaufen, die aber, weil sie nicht eingetreten sind, auch meistens ihren Zweck nicht erfüllen. Zeitverlust und unnütze Ausgaben lassen oft die gute Laune einbüßen.

Eine vollständige Abhilfe dieser Unannehmlichkeiten ist zu erreichen, wenn man sich ein Paar Bergschuhe nach dem System des Professor Meyer in Zürich von einem geschickten Schuhmacher arbeiten läßt. […]
Die Höhe, die ein Bergschuh von der Hacke an zu erreichen hat, ist 16cm, und ist auch darauf zu sehen, daß der von der Hacke bis nach oben aufgesteppte Riemen über der Hacke eine Breite von 4 cm hat, wodurch ein Druck an dieser Stelle, den ein schmaler Riemen häufig hervorruft, vermieden wird.

Werden in dieser Weise angefertigte gut passende Schuhe acht Tage vor Beginn der Reise etwas eingetreten, so kann man darauf rechnen, daß sie sich in jeder Weise bewähren. Schuhe, die allen diesen Anforderungen entsprechen, fertigt der Schuhmacher Jean Kienast in Zürich an.

Wollene, dunkle, lange und durchaus neue Strümpfe, mit der rechts gestrickten Seite nach innen sorgfältig angezogen und häufig gewechselt, werden dem Fuße im Schuh die nöthige Festigkeit geben. Sollte bei längerem Tragen der Schuh sich ausweiten so ist anzurathen, um den vorderen Theil des Fußes über dem Strumpf einen doppelten Leinenlappen festzulegen, nicht aber, wie meistesn geschieht, eine dünne Sohle in den Schuh, weil solche durch Feuchtigkeit gewöhnlich uneben wird und Druck verursacht. Es empfiehlt sich, beim Zuschnüren des Schuhes die drei unteren Schnürlöcher recht fest zusammen zu ziehen. Nicht genug ist davor zu warnen, nasse Füße am Feuer zu trocknen und besser noch, einen feuchten Schuh anzuziehen, als einen eingetrockneten, wenn nicht gar verbrannten. Bergschuhe müssen täglich mit Fett eingeschmiert werden.

2. Bekleidung des Körpers

Damen die größere Bergbesteigungen und Gletschertouren machen wollen, rathe ich zu folgendem Anzug, erwähne aber gleich, daß derselbe auch bei kleineren Partien sich vortrefflich bewährt. Besonders Gewicht lege ich darauf, daß der Körper als erste Bekleidung nur Wolle erhält; feinwollene Tricots zu diesem Zweck sind in allen guten Geschäften zu haben. Aus dunklem, warmem nicht zu schweren Wollenstoff angefertigte weite, bis zum Knie reichene Beinkleider, darüber bei Gletschertouren vielleicht noch eine wärmende, den Körper umschließende Hülle (Leibbinde), und dann, ohne Jupons, das Kleid, das derart einzurichten ist (durch Aufknöpfen), um es entsprechend kurz und lang zu gestalten. Als Stoff zum Kleide wähle man dauerhaften englischen Wollenstoff, am besten von dunkelbrauner Farbe; am zweckmäßigsten halte ich ein Kleid, das aus einem ganz einfach garnierten Rocke mit weiter Taille und einem anschließenden Paletot besteht. Muß dieses Costüm auch sehr einfach ohne Puffen und Besatz hergestellt werden, so braucht es dabei keineswegs der Eleganz zu entbehren. Sobald es verlängert (bei Touren muß es bis zum Knie aufgeschürzt sein) und der Paletot angelegt ist, wird Niemand in den Hotels das Bergcostüm darunter vermuthen. Es empfiehlt sich auch, auf großen Touren noch einen zweiten gewöhnlichen Anzug oder einen langen Regenmantel mitzunehmen, um sich beim Naßwerden umkleiden zu können. Selbstverständlich gehören zur Reiseausstattung noch Wäsche, Strümpfe, Morgenschuhe und Toilettegegenstände. Ein warmer Plaid und wenn möglich eine leichte Reisedecke sind unerläßlich bei der Rast auf dem Eise, auch ein kleines Tuch für den Hals oft sehr erwünscht.

Beim Beginn von Wanderungen in weichem Schnee sind über die Schuhe und Strümpfe bis zum Knie Gamaschen von Leder, an der Seite zuzuschnallen, zu ziehen und solche abzulegen so bald sie nicht mehr nöthig, weil sie in diesem Fall den Fuß unnöthig beschweren. Ziemlich lange, starke graue wildlederne Handschuhe sind sehr zweckmäßig, doch empfehlen sich bei Gletschertouren auch wollene Fausthandschuhe. Als Kopfbedeckung ist ein starker Strohhutz, innen warm gefüttert, dessen nach unten gehende Ränder das Gesicht schützen, erwünscht; ein weicher dunkler Filzhut mit breitem Rand thut gleiche Dienste. Ein blauer Schleier ist unerläßlich. Zu empfehlen ist eine eigene Schneebrille, da die von den Führern geliehenen Brillen gewöhnlich nicht gut passen. Ein Regenschirm, gleich gut gegen Regen und Sonne, und ein starker Bergstock mit Eisenspitze vervollständigen das Ganze.

Besondern interessant an diesen Beschreibungen finde ich, dass die Damen unter einem entsprechenden Rock Beinkleider, also Hosen, trugen. Wir Frauen wissen gut genug, wie nervig ein langer Rock schon bei einfachsten Spaziergängen sein kann. Ein hochgeknüpfter Rock, unter dem sich ein Beinkleid befindet, ist also durchaus vorteilhaft.

Auch interessant sind die Schneebrillen. Ich hoffe, ich kann dazu noch etwas herausfinden!

Der blaue Schleier wird im 2. Teil noch einmal näher erklärt, wenn es um Gesundheitspflege in den Bergen geht.

 

Bild: Charles Edouard Boutibonne, The Expedition, 1868

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